Referent MdEP Ismail Ertug (SPD) im Schifffahrtsmuesum Wörth a. Main

Am Freitag dem 20.1.2017 hatten wir von der Bürgerinitiative Stop-TTIP Kreis Miltenberg den Referenten und Europaabgeordneten der SPD, Ismail Ertug zu einer Informationsveranstaltung in das Schifffahrtsmuseum in Wörth eingeladen. Herr Ertug ist als Kritiker der Freihandelsabkommen im Brüsseler Parlament bekannt, deshalb hatten wir Mitglieder uns Informationen zum Stand von CETA und natürlich auch eine Stellungnahme zu den kürzlich durch Greenpeace veröffentlichten TiSA- Leaks erhofft.

Die Moderation der Veranstaltung hatte das BI Mitglied Ferdinand Kern übernommen, der ein langjähriger Parteigenosse des Referenten ist. Wörths Bürgermeister Andreas Fath, der trotz Problemen mit der Stimme das Grußwort sprach, gab seiner Sorge Ausdruck, dass durch die Freihandelsabkommen CETA und TTIP und das Dienstleistungsabkommen TiSA durchaus auch in der Region nachteilige Auswirkungen befürchtet würden.

Für eine Auflockerung der teils recht hitzig ausgetragenen Diskussion sorgte der Wörther Liedermacher Holle B.

Herr Ertug berichtete, dass es wohl kaum Hoffnung gebe, dass CETA im Europaparlament abgelehnt werde. Zwar versuchten er und einige andere Gegner der Abkommen immer wieder über die Gefahren die diese bergen hinzuweisen, doch nehme die Mehrheit der EU-Abgeordneten diese Gefahren für die Bürger leider nicht allzu ernst. Er stelle immer wieder fest, dass ganz besonders die Unionsabgeordneten sich nahezu ausschließlich auf die Aussagen der Lobbyisten der Industrie berufen. Man habe den Eindruck, dass diese den Inhalt der Verträge gar nicht kennen, dass sie sich nicht die Mühe machten, die CETA- Verträge zu lesen. Er selbst habe zwar auch nicht die Zeit, die gesamten 1600 Seiten Vertragstext und die zusätzlichen Anhänge durchzuarbeiten, dafür seien die Tage zu eng getaktet.  Er habe aber Praktikanten damit beauftragt dies zu tun, die ihn ständig darüber informierten und auf entsprechende Stellen im Vertrag hinweisen.

Ohne den Widerstand der SPD wäre laut Herrn Ertug, dieser Vertrag längst durch gewunken worden. Im Gegensatz zu den Gegnern der Freihandelsabkommen hält Ertug die Veränderung der Schiedsgerichtsmechanismen, die durch die Initiative der SPD an den Originalvertrag von CETA, angegliedert wurden, für eine generelle Verbesserung. Insgesamt halte Herr Ertug die Schiedsgerichte aber ebenfalls für überflüssig, da die Gerichte in Europa und Kanada bzw. den USA durchaus in der Lage seien, auch über Fragen des Handelsrechts adäquat zu urteilen.

Eine Chance CETA im Europaparlament noch zu stoppen gebe es nach seiner Meinung nicht, dort seien die Befürworter zahlenmäßig weit überlegen, diese Chance sehe er höchstens im Bundesrat, oder über das Verfassungsgericht. Das bayerische Volksbegehren sei dabei dann hilfreich, wenn es denn zugelassen werde.

Dann aber käme auf uns von der Bürgerinitiative und alle die uns beim Widerstand unterstützen eine schwierige, kaum zu bewältigende Aufgabe zu, denn dann müssten wir fast eine Million bayerische wahlberechtigte Bürger dazu bringen, dieses Volksbegehren in den Rathäusern zu unterschreiben.

 

Insgesamt mahnte der Europaabgeordnete zu geringen Widerstand aus der Bevölkerung gegen diese Abkommen an. Vom Landwirtschaftsverband generell, aber auch  von den bayerischen Landwirten, die durch diese Freihandelsabkommen möglicherweise um ihre Existenz gebracht werden, würde er mehr Widerstand erwarten. Eigentlich, so meinte Ertug, müssten jede Woche Demonstrationen vor dem Kanzleramt stattfinden.

Darauf meinte eine Zuschauerin, dass bereits am morgigen Samstag wieder eine große Demonstration mit Beteiligung zahlreicher Landwirte in Berlin stattfinde, zur Eröffnung der „Grünen Woche“. Leider ließen sich die Regierungspolitiker dadurch aber nicht beeinflussen.

Ein anderer Teilnehmer fragte den Referenten, ob er versuche, die Verantwortung für diese offensichtlich bürgerfeindlichen Abkommen den Bürgern anzulasten, nach dem Motto: „Hättet ihr mehr demonstriert, hätten wir sie nicht unterzeichnet“. Es sei doch wohl die Aufgabe der gewählten, gut bezahlten Politiker, Schaden vom Volk abzuwenden, ob diese nun dagegen demonstrierten oder nicht.

Eine weitere Teilnehmerin an der Diskussion sprach den Abgeordneten auf die Entstehung der SPD an, die gegründet worden sei um die Rechte der Arbeitnehmer zu vertreten und diese im Parlament durchzusetzen, welche mit der Befürwortung besagter Abkommen auch durch die SPD-Spitze, diesem Ziel ja nicht gerade entspreche. Beiden Antworten wich der Abgeordnete etwas aus, er sei sich dessen wohl bewusst, stehe damit aber häufig weitgehend alleine.

Der ehemalige Kreishandwerksmeister Erich Stappel meldete sich zu Wort und erklärte, dass durch diese Abkommen regionale Handwerksbetriebe, sowie der größte Teil der kleinen und mittleren Unternehmen unter enormen Druck gerieten, für sie seien diese Abkommen eine große Gefahr. Er würde sich bessere Informationen über die Risiken wünschen, nicht nur Hinweise auf eventuelle Vorteile für Unternehmen wie sie die IHK verbreite, die aber wohl lediglich für die Großindustrie zutreffen würden. Darauf antwortete Ferdinand Kern, die Initiative kleiner und mittlerer Unternehmen „KMU gegen TTIP“ mit inzwischen über 2000 beteiligten Unternehmen, weise auf zahlreiche Risiken durch diese Freihandelsabkommen hin.

Eine Diskussion über das Dienstleistungsabkommen TiSA lehnte Herr Ertug ab.

Er betonte, er sei Abgeordneter und kein CEO (in diesem Fall ein Angehöriger einer Nichtregierungsorganisation). Über Verträge könne er erst diskutieren, wenn diese ausverhandelt seien und Texte zur Verfügung stünden. Alles andere seien Spekulationen und Mutmaßungen.

Abschließend bat der Europaabgeordnete alle Anwesenden, den Widerstand gegen die Abkommen keinesfalls aufzugeben, da nur durch den Widerstand aus der Bevölkerung Druck auf die Befürworter ausgeübt werden könne. Der sei enorm wichtig, auch um eventuell doch noch Verbesserungen der Verträge zu erwirken.

Angelika Nortmann