STOP TTIP – Großes Interesse bei der Informationsveranstaltung in Kleinwallstadt

Kreis Miltenberg. Viele angebliche Vorteile der Freihandelsabkommen wurden am Montagabend als „Mäusespeck“ entlarvt, der den Mäusen zum Verhängnis wird, so das Fazit einer Podiumsdiskussion, die von der Bürgerinitiative (BI) „STOP TTIP Kreis Miltenberg“ unter dem Motto „Freihandelsabkommen – Was wir fragen müssen!“ in der Zehntscheune Kleinwallstadt veranstaltet wurde.

Sprecher Reinhold Spall (Wörth) freute sich über mehr als 100 interessierte Zuhörer. Podiumsteilnehmer waren die beiden Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen Fahn (FW), Thomas Mütze (B´90/Grüne) und Heribert Schmitz, ein ausgewiesener Fachmann. Die eingeladenen Vertreter der SPD, Martina Fehlner (MdL) und Bernd Rützel (MdB) hatten sich aus terminlichen Gründen entschuldigt. MdB Alexander Hofmann (CSU) hatte den Veranstaltern mitgeteilt, dass er vor Anfang Dezember 2015 keinen Termin frei hat. Die Stellungnahmen zu den Freihandelsabkommen wurden bei den entsprechenden Fragen vorgelesen.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Reinhold Spall und Ferdinand Kern (Obernburg). Sie stellten die Ziele der BI vor und zählten die Fragen auf, die sie an verschiedene Politiker des Landtages, Bundestages und EU-Abgeordnete gesendet hatten. Sie forderten das Publikum auf, die Petition der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA zu unterschreiben, die schon von rund 2,6 Millionen Menschen unterzeichnet worden ist, um das Freihandelsabkommen TTIP zu stoppen.
Die grundsätzliche Haltung zu Freihandelsabkommen der drei Podiumsteilnehmer: Man ist nicht prinzipiell gegen Freihandelsabkommen, aber die Regelungen wie sie in TTIP (EU – USA) und CETA (EU – Kanada) vorgesehen sind, sind nicht zu akzeptieren.
Heribert Schmitz war der Meinung, im Endeffekt laufe alles darauf hinaus, die sozialen und die Umwelt-Standards in der Zukunft weiter abzusenken, um Kosten zu sparen. Gegen technische Korrekturen wie gleiche Blinkerfarben bei Autos bestünden keine Bedenken.
Thomas Mütze wies auf die überzogene Geheimhaltungspraxis hin. In einem speziellen Leseraum in Brüssel dürften nur autorisierte Personen die Verhandlungsdokumente einsehen. So sei eine Entscheidungsfindung bei den Parlamentariern gar nicht möglich.
Fahn wies auf die Erfahrungen mit dem 1995 unterzeichneten Freihandelsabkommen NAFTA (USA – Mexiko – Kanada) hin. Hier seien 1 Million kleinbäuerliche Existenzen in Mexiko durch die Agrarindustrie der USA vernichtet worden. Die Automobilindustrie in Detroit habe viele Billigarbeitsplätze in Mexiko geschaffen und dadurch Hunderttausende Arbeitsplätze in Detroit zerstört.
Aus dem Publikum wurden Fragen zur kommunalen Daseinsfürsorge, genmanipulierten Lebensmitteln und zu den umstrittenen privaten Schiedsgerichten gestellt. Thomas Mütze berichtete, dass das Europaparlament im Juli eine Resolution verabschiedet habe, die privaten Schiedsgerichte aus den Freihandelsabkommen zu entfernen. Inwieweit die Verhandlungsführer der EU-Kommission dies durchsetzen könnten, sei abzuwarten. Heribert Schmitz wies darauf hin, dass bei den neuen Schiedsgerichten im Freihandelsabkommen im Vergleich zu früher neben den Investitionskosten auch entgangene Gewinne eingeklagt werden könnten. Diese Variante könne die Schadensforderungen stark erhöhen und enorm hohe Kosten verursachen.

Hans Jürgen Fahn berichtete, dass im Landtag demnächst über das bis jetzt nicht detailliert bekannte Dienstleistungsabkommen TISA informiert wird. Hier kann nach Meinung der Podiumsteilnehmer für die Zukunft eine noch größere Gefahr drohen.

Spall und Kern wiesen in der abschließenden Zusammenfassung darauf hin, dass das Freihandelsabkommen CETA ausverhandelt ist und demnächst in den Parlamenten behandelt werden soll, wenn die juristische Prüfung abgeschlossen ist. In den Vorlagen seien noch Schiedsgerichte vorgesehen. Die zuständige EU-Kommissarin Malmström wolle dies vorerst nicht verändern. Erst wenn der Vertrag in Kraft getreten sei, solle es zu einer „Überprüfung“ kommen, was beim Auditorium zu ungläubigem Kopfschütteln führte. Die Bürger und Bürgerinnen sollten deshalb sehr wachsam die Debatten verfolgen und die Abgeordneten kontaktieren, so Kern und Spall. CETA gelte als Blaupause für TTIP und müsse auf jeden Fall verhindert werden, betonten Schmitz und Fahn. Eine Großdemonstration in Berlin gegen die Freihandelsabkommen findet am 10.Oktober statt, erfuhren die Zuhörer von Reinhold Spall zum Schluss der Veranstaltung.

Ferdinand Kern