Globaler Aktionstag 18. April 2015 gegen TTIP, CETA und TISA

Kundgebung zum „Globalen Aktionstag gegen TTIP“ der Aschaffenburger und Miltenberger Bündnisse.

Mehr als 400 Besucher folgten am Samstagnachmittag auf dem Engelplatz in Miltenberg den Ausführungen von Prof. Heribert Schmitz, den Rednern von Attac, GEW, KAB , DGB und Urban Priol. Unterstützt wurden diese von Liedermacher Holle B. und den Aschaffenburger Friedenstrommlern.

Kundegebung vom 18.04.2015 Engelplatz Miltenberg - Foto: SEW

 

Ist es ein Widerspruch den Freihandel zu befürworten aber TTIP abzulehnen ?

Kundegebung vom 18.04.2015 Engelplatz Miltenberg - Foto: SEWDiese und die Frage ob das transatlantische Freihandels- abkommen TTIP sowie CETA (kanadisches Freihandels- abkommen) als auch TISA (Freihandelsabkommen über Dienstleistungen) den Handel hier bei uns und in der EU langfristig und zum Wohle der Bürger stärken, erörterte Prof. Heribert Schmitz als erster Redner der Kundgebung.

„Wir sind Exportweltmeister und profitieren massiv vom Freihandel. Wir haben sogar ein originäres Interesse daran, dass wir mit möglichst vielen Ländern dieser Welt über Abkommen verbunden sind.“

Ziel des Freihandelsabkommen TTIP ist die Erhöhung des Handelsaustauschs und damit zusätzliches Wachstum durch die Beseitigung von Handelshemmnissen. Hört man die Befürworter dieser Abkommen ergeben sich angeblich enorme zusätzliche Wachstumspotentiale. Diverse Prognosen und Studien schätzen dies aber sehr unterschiedlich ein. Die EU spricht offiziell von 0,5 -1%. Andere Wirtschaftsinstitute bis zu 6% allerdings über 10 Jahre, was einem jährlichen Wachstum von 0,05 % bis zu 0,6% entspräche. Betrachtet man die zu erwartenden massiven Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und die Gesetzgebung, stellt sich schnell die Frage ob solch klägliche Steigerungsraten ein derart hohes Risiko rechtfertigen.

Das Prinzip des geplanten Freihandelsabkommens besteht darin, die jeweiligen Standards der anderen Seite zu akzeptieren.

Die TTIP befürwortenden Parteien betonen immer wieder dass zwar aktuell in den Verhandlungen festgeschrieben werden soll, dass die bestehenden Standards nicht reduziert werden. Dies ändert jedoch nichts am Prinzip der Anerkennung jeweiliger Standards mit der Konsequenz, dass die andere Seite zu ihren eigenen Standards den Markt beliefern kann. Zwangsläufig werden sich so die niedrigsten Umwelt- und Lebensmittelstandards durchsetzen.

Könnte Deutschland nun auf TTIP verzichten?

Ja! – Wenn es wirklich den Interessen der Bevölkerung gerecht würde, wäre ein ausgewogenes Freihandelsabkommen wünschenswert. Da jedoch nur die Interessen der großen globalen Konzerne berücksichtigt werden, werden die Bürger dafür aber sinkende Umwelt-, Verbraucherschutz- und Arbeitnehmerrechte hinnehmen müssen.

Welche möglichen Folgen hat das Freihandelsabkommen auf die Daseins-
vorsorge und den öffentlichen Bildungsbereich ?

Als Sprecher von Attac Aschaffenburg-Miltenberg und als Vorsitzender der GEW am bayerischen Untermain beleuchtete Herr Reinhard Frankl diese Fragestellung.

Kundegebung vom 18.04.2015 Engelplatz Miltenberg - Foto: SEWDie Verhandlungen über die oben aufgeführten Abkommen charakterisiert Reinhard Frankl überraschend als menschenfeindlich. Spätestens mit TISA droht uns die Daseinsvorsorge aus der öffentlichen Hand entrissen zu werden um sie einem privaten Dienstleistungsmarkt zuzuführen. Dies würde bedeuten den Steuerzahlern rund um den Globus ihrer Vorsorge- und Versorgungseinrichtungen zu berauben. Berauben ist die korrekte Übersetzung des lateinischen Wortes „privare“. Dienstleistungen der Daseinsvorsorge sind zum größten Teil in öffentlicher Hand unter demokratischer Kontrolle was für die Global Player als Handelshemmnis angesehen wird.

Im Bildungsbereich wurde schon zu viel dem Markt der privaten Profitinteressen geöffnet, etwa auf dem Gebiet der Erwachsenen- und Weiterbildung. Ergebnis: Höhere Gebühren, Beschneidung der Breite des Programmangebotes und prekäre Arbeitsbedingungen. Im Hochschulsektor hat die Privatwirtschaft beispielsweise über die Bestimmungen der Drittmitteleinwerbung, aber auch direkt in den Hochschulräten die Führung übernommen. Das wirkt sich negativ auf die Grundlagenforschung aus und führt zu einseitigem Ausbau des Lehrangebotes auf die für die Wirtschaft interessanten Fächer.

Die Daseinsvorsorge, die Vorsorge- und Versorgungseinrichtungen eines Gemeinwesens müssen von der öffentlichen Hand vorgehalten werden, sie gehören unter wirklich demokratische Verwaltung und Verantwortung und gehören generell steuerfinanziert. Hier muss gelten „Freier Zugang statt freiem Handel“!

Finanzmärkte mit weniger Regulierung sind instabil und krisenanfällig

Kundegebung vom 18.04.2015 Engelplatz Miltenberg - Foto: SEWDies müssten wir laut Björn Wortmann, DGB Regionssekretär Unterfranken, aus der Finanzkrise gelernt haben. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund ist nicht gegen Handel unter den Ländern oder zwischen Wirtschaftsräumen. In Gegenteil: Handel unter fairen Bedingungen mit klaren Regeln sichert und schafft Arbeitsplätze, so Wortmann. Deregulierung, Marktliberalisierung und Privatisierung haben in den letzten Jahren die Sozialstandards und Arbeitnehmerrechte nicht gestärkt, sondern ganze Branchen unter einen verschärften Wettbewerbsdruck gestellt!

Wir wollen nicht – wie im TTIP vorgesehen- über einen Negativlistenansatz sprechen

Das bedeutet die Bereiche, die in der Liste nicht genannt sind , können liberalisiert werden. Das muss genau umgekehrt sein. Gefordert wird eine Positivliste: nur das, was auf der Liste steht darf liberalisiert werden. Sonst nichts! Weiterhin wird der Ruf nach durchsetzbaren Regeln laut. Wenn Sozial- und Arbeitsstandards verletzt werden, dann müssen die genauso sanktionierbar sein wie andere Verpflichtungen die sich aus dem Abkommen ergeben !

„Die Menschen haben eine Recht darauf, zu erfahren, in welcher Weise sie betroffen sein werden. Transparenz ist unabdingbar!“

Kundegebung vom 18.04.2015 Engelplatz Miltenberg - Foto: SEWLudwig Stauner, Betriebsseelsorger für KAB-Untermain zitierte mit diesen Satz Oscar Cantu der dies vor der Kath. Nachrichtenagentur gesagt hat. Schließlich gehe es um die Würde und Anliegen aller Menschen, nicht nur derer, die auf einen Profit hoffen. Zudem sei es wichtig dass die Armen einen Platz am Verhandlungstisch haben. Denn wenn das nicht beachtet wird, sei zu befürchten dass zwei so starke Handelsblöcke wie Europa und die USA nur ihre eigenen Interessen sähen. (Sonntagsblatt, Ausgabe Nr. 16, Seite 8)

Wenn wir Handelsbeziehungen nicht gerechter gestalten, besteht laut Ludwig Stauner die Gefahr, dass sich ein neuer Nationalismus entwickelt, an dessen Ende vielleicht nur noch wenige entsetzt aufschreien werden „Gott möge das Schlimmste verhindern“. – Doch bereits wir alle hätten das Schlimmste verhindern können, wenn wir nachgedacht hätten und unsere Volksvertreter besser angestachelt hätten. Daher kann es hier und heute nur heißen: „Wir empören uns und stehen auf !“

Als weitere Redner traten auf:

  • Urban Priol (Kabarettist)
  • Bernhard Wühr (Friedenstrommler Aschaffenburg)
  • Jens Marco Scherf (Landrat des Kreises Miltenberg)
  • Thomas Mütze (Landtagsabgeordneter der Grünen)
  • Holle B (Liedermacher)
  • Reinhold Spall (Organisator Stop TTIP Miltenberg)
  • Ferdinand Kern (Organisator Stop TTIP Miltenberg)

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Aufruf:

Unbestritten sind die global operierenden Konzerne die größten Gewinner eines transatlantischen Freihandelsabkommen. Ob der Mittelstand, das Rückgrat unserer deutschen Volkswirtschaft, wirklich davon profitiert, darf bezweifelt werden.

„Daher hier die eindringliche Bitte: helfen Sie weiter mit, dass die Abkommen in der jetzt angelegten Form nicht Wirklichkeit werden. Sprechen Sie Ihre Landtags- und Bundestagsabgeordneten an. Sprechen Sie mit Freunden , Kollegen und Nachbarn und überzeugen Sie diese, dass die Abkommen in der jetzigen Form für uns alle mehr Rückschritt als Fortschritt sind.“

Bericht von A. Baumann, Wörth – Fotos: SEW