Bericht über die 2. Strategie und Aktionskonferenz in Kassel am 24. und 25. März 2017

Wie bereits erwähnt, war mein erster Eindruck von der diesjährigen Konferenz etwas ernüchternd. Es waren wesentlich weniger Teilnehmer gekommen als im vergangenen Jahr, damals waren es 460 Teilnehmer, diesmal nur noch 160.

Doch schnell wurde klar, genau wie bei uns hatten sich die kleineren Organisationen verknüpft und gemeinsame Vertreter zur Konferenz entsendet. Schließlich war die Teilnahme, insbesondere bei einer längeren Anreise, nicht nur ein Zeit- sondern auch ein Kostenfaktor. So waren auch Susanne Seifert und ich selbst für die Bündnisse Miltenberg und Aschaffenburg nach Kassel gefahren.

Wie auch im vergangenen Jahr waren die Panels prominent und fachmännisch besetzt, das Interesse an der Konferenz war ganz besonders bei den Gewerkschaften, keineswegs geringer geworden.

Bereits bei der Eröffnungsrede unseres Gastgebers an der Universität Kassel, Prof. Dr. Scherrer wurde klar, dass der Fokus diesmal auch auf dem Dienstleistungsabkommen TiSA liegen würde. So begann der Professor seinen Vortrag mit einer Einführung in das Wesen der nun möglicherweise doch kommenden Pkw-Maut, mit dem Fazit, dass diese nichts anderes als eine Enteignung der Bürger zum Vorteil der Versicherungskonzerne sei.  Auch mit dem Gerücht, der neue US-Präsident sei ein Gegner der Freihandelsabkommen räumte Prof. Scherrer gründlich auf. Dessen Protektionismus bezwecke vielmehr eine noch weiter gehende Marktöffnung der beteiligten Staaten. Trumps gute Kontakte nach Russland befeuerten im Übrigen derzeit den amerikanischen Wohnungsmarkt und damit auch Trumps private Geschäfte, durch den Verkauf teurer Wohnungen an reiche Russen.

Dann erklärte Scherrer, dass normale Konzerne in der Regel eine Umsatzrendite von etwa 5% haben, US- Konzerne wie Apple oder Google aber erreichten nicht selten eine Rendite von 50% und dies nicht nur deshalb weil sie zum Beispiel in Europa so gut wie keine Steuern bezahlen, sondern auch durch den Schutz ihres geistigen Eigentums. Die USA bestehen auf dem Schutz des geistigen Eigentums ihrer Konzerne, gleichzeitig aber auf der Öffnung dieses Bereiches aller anderen Staaten. Dies sei einer der großen, bislang nicht überwundenen Streitpunkte in TTIP.   In TPP sei die Tabakindustrie aus dem Investorenschutz ausgeschlossen worden, aus diesem Grund werde es nun durch die USA torpediert und vorerst abgelehnt, sobald beide Punkte im Interesse Amerikas geklärt werden können, seien die USA schnell wieder an Bord.

Die Trump- Administration strebe künftig bilaterale Abkommen an, um ihre Macht optimal auszuüben. Derzeit werde dort ein Gesetz von 1979 wiederbelebt, um Protektionismus durchzuführen und andere Nationen aufzubrechen deren Schutz aufzugeben. Der Druck aus Amerika werde sich schon bald bedeutend erhöhen. Darüber sei auch ein Arbeitspapier der Uni bei der Böckler- Stiftung abzurufen.

Auch Melinda St. Louis von Public Citizen USA sagte, die Trump-Administration befürworte und liebe diese Abkommen, die derzeitige Pause bezwecke lediglich, die Verhandlungsposition der USA zu stärken, es muss für Amerika deutlich mehr herauskommen. Sie sehe die einzige Chance darin, Trump an seine Versprechen an die amerikanischen Arbeiter zu erinnern und ihn darauf festzunageln.

Stefan Körzell vom DGB meinte, es sei nicht wirklich gelungen, die Bewegung „europäisch zu gestalten“ andere Länder schließen sich zu wenig an. Dazu meldeten sich anschließend Teilnehmer aus dem Publikum aus Portugal, Spanien, Schweden und Holland und berichteten von großen Demos, die von der deutschen Presse aber leider nicht erwähnt worden seien. Die EU verhandelt währenddessen munter weiter und in den neuen Abkommen sind alle Nachteile wieder enthalten. Unsere Politiker haben durch die Proteste der Bürger und den Gang vor das Verfassungsgericht nichts gelernt.  Bei CETA war Kanada bereit die Arbeitnehmerrechte einzuhalten, die EU war dagegen und hätte an Kanada dafür extreme Forderungen gestellt. Man müsse die nationalen Ratifizierungs-Dokumente mehr beachten meinte Körzell, in diesen könne man erstaunliche Einzelheiten der Verhandlungen finden. Er und Florian Steininger von der SPÖ berichteten von der Show die Christia Freeland vor der Unterzeichnung abgezogen habe um die Wallonie unter Druck zu setzen. Hinterher habe sie zum Besten gegeben, sie sei schon an der Uni eine gute Schauspielerin gewesen, auf die Tränendrüse zu drücken sei ihr nie schwergefallen. Das sei manchmal sehr nützlich.

In diesen Stunden habe man sich mehr Unterstützung aus ganz Europa gewünscht, in der Wallonie. Sicher seien die Verhandler hinter den Türen alleine, aber mit der Gewissheit, dass da draußen einige tausend Menschen hinter einem stehen, streite es sich leichter und erfolgreicher.

Florian Steininger meinte, man müsse gerade im Wahlkampf eine öffentliche Debatte  erzwingen und die Freihandels- Befürworter als „Wohlstandsgegner“ bezeichnen. Er wisse derzeit nicht, ob das österreichische Parlament CETA zustimmen würde. Der Druck, der auf Länder ausgeübt werde, die sich weigerten, sei unvorstellbar groß, das schaffe ein Land nicht alleine. Sie benötigten unbedingt Unterstützung.

Ernst-Christoph Stolper vom BUND sagte, es gehe nur europäisch, wenn man mit Großkonzernen auf Augenhöhe verhandeln wolle, deshalb werden die Organisationen und Netzwerke fusionieren um nicht mehr in jedem Land einzeln zu agieren. Der europäischen Bevölkerung müsse klar sein, der Neoliberalismus ist das Gift und nicht die Medizin! Die Ablehnung von CETA ist der Lackmustest, vor und nach der Wahl.

Thomas Eberhardt-Köster von Attac treibt die Arbeit an einem alternativen Handelsprogramm voran. Er sagt, wenn es uns nicht gelingt ein schlüssiges Programm zu entwerfen, werden wir zwischen Nationalen und Neoliberalen zerrieben. Wir müssen verhindern, dass das Gefühl Fuß fasst, Schulz werde das alles schon machen. TTIP und CETA sind eine Folge dieses Systems für das er steht.

Andrea Kocsis von ver.di betonte, TiSA berge größte Gefahren für den Dienstleistungssektor und wieder werde nicht offen verhandelt. Regulierungen der Dienstleistungen sind vorab nur der Industrie bekannt, die dann auch massiv Einfluss nimmt. Gewerkschaften und andere Organisationen werden bestenfalls informiert. Die Gefahren durch Stillstands- und Sperrklinkenklauseln werden überwiegend auch von der Politik nicht erkannt. Momentan bestehe Bedarf, die Postdienstleistungen wieder zu kommunalisieren, damit der Datenschutz besser eingehalten werden könne, doch man habe den Eindruck, die Politiker glaubten ernsthaft, das könne man später immer noch machen.

Andrè Rebenstich von Opentech Summit arbeitet an Datenschutzrichtlinien in Berlin und bei der EU. Er erklärte, Mitte der 90er wurden Datenschutzrichtlinien eingeführt die im Rahmen der EU- Erweiterung angepasst wurden. Aus handelspolitischer Rücksichtnahme wurde das Save Harbour – Abkommen verabschiedet, das allerdings sehr einseitig US-Industrie bevorzugt arbeitete. Da Daten überwiegend in den USA gespeichert werden konnten. Die EU hat relativ spät erkannt, dass es wichtig ist, die Daten im Binnenraum zu halten und erst durch die Klage von Max Schrems wurde Save Harbour tatsächlich gekippt. Durch TiSA wird immer stärker bewusst, dass Daten ein enorm wichtiges Handelsgut sind. Deren Schutz wird jedoch immer problematischer, da es durch wirtschaftliche Interessen inzwischen ein sehr starkes Lobbying gegen jede Art von Datenschutz gebe.

Berit Thomsen und Georg Janßen von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft beklagten, dass der Landwirtschaftsminister die Exporte von Milch und anderen landwirtschaftlichen Produkten lobe. Das zerstöre aber, besonders in Afrika die langsam wachsenden landwirtschaftlichen Bereiche und treibe die Menschen zur Flucht. Was unseren Landwirten durch CETA droht, verschweigt er lieber ganz. Fleisch wird in Kanada um 60% günstiger produziert als in Deutschland, nur mit Grauen könne man erahnen, welcher Druck auf europäische Landwirte zukomme.

Doch das ist längst nicht alles. Die großen Agrarbetriebe glauben sich sicher, doch 20% der Betriebe erhalten 80% der Subventionen. In Mexico wurde die Subventionierung der Landwirtschaft nach NAFTA durch die USA unterbunden, das kann auch bei uns passieren. Die Landwirtschaft darf keine Existenzen zerstören, egal in welchem Land.  Beide baten inständig darum, die Wallonie zu unterstützen bei ihrem Kampf gegen die Ratifizierung in den Parlamenten. Sie müssen bei jedem Blick aus den Fenstern erkennen, dass Europa hinter ihnen steht.

Der Kulturrat Olaf Zimmermann bedankte sich für die viele Unterstützung von außen, erst durch die Demos sei die Kultur im Zusammenhang mit den Abkommen richtig wahrgenommen worden. Es sei enorm schwierig in einem so vielfältigen und zerklüfteten Bereich wie dem der Kultur den Überblick zu behalten. Das habe er selbst auch erst in diesem Zusammenhang bemerkt.  Deshalb fürchte er, es sei nahezu unmöglich, Bereiche wasserdicht in Verträgen wie CETA oder TiSA zu sichern. Sie hatten geglaubt, sie seien in die Verhandlungen eingebunden, erst jetzt hätten sie gemerkt, dass sie durch die Negativlisten total überfordert seien. Sie hätten zum Beispiel erst nach der Fertigstellung der Anträge bemerkt, dass auch der Bereich der Zirkusbetriebe über die Kultur abgedeckt seien. So etwas passiere garantiert auch in anderen Bereichen. Die Gier auf den Kulturbereich, besonders die der Amerikaner, sei groß. Das erkläre sich vielleicht, wenn man bedenkt, dass die Wertschöpfung durch den Kulturbereich in Europa größer ist als die der Chemieindustrie und nur minimal geringer als die der Autoindustrie. Das werde auch von vielen Politikern kaum wahrgenommen. Anders als in den USA sind wir hier aber nicht exportorientiert, doch darauf spekulieren viele Investoren. Sie wollen ihre Produkte auf unsere Märkte bringen. Liberalisierung könnte hier extreme Auswirkungen haben. Die kleinstrukturierte Kulturform muss gegen Apple, Google, Walt Disney und Co geschützt werden. Er habe festgestellt, dass man auf keinen Fall mehr glauben dürfe, was einem die Politiker der Regierung sagen. Dazu äußerte sich auch Andrea Kocsis. Sie sagte, es sei sehr schwer gewesen, feststellen zu müssen, dass man die Abgeordneten nicht auf seiner Seite habe. Die breite Gesellschaft müsse besser eingebunden werden, auch diese merkten immer deutlicher, dass da etwas nicht stimmt und überlegten, ob das mit den Freihandelsabkommen zusammenhängen könnte. Wir müssen ihnen die Zusammenhänge erklären.

Berit Thomsen sagte, wir müssten uns auch diesen unsäglichen Zollabbau noch einmal vornehmen. Den Molkereien breche ein System weg, weil es nicht mehr möglich sei, den Landwirten einen Preis für die Milch zu geben. Andrè Rebenstich beschwor die Anwesenden, sich frühzeitig einzumischen, gegen Ende ist nichts mehr zu bewegen und es müssten die richtigen Leute in den Ausschuss. 5 gute Leute im Ausschuss könnten mehr bewegen als 50 000 auf der Straße. Die einzelnen Workshops waren sehr komplex und gingen so sehr ins Detail, dass ich nicht so viel mitschreiben konnte. Deshalb hier nur eine Zusammenfassung in Stichworten. Jürgen Knirsch von Greenpeace meinte, uns fehle bei TiSA noch das „Chlorhühnchen“ um die Aufmerksamkeit der Leute zu erreichen. Es ist auch nicht so einfach hier etwas zu finden, das am Ende nicht den „Rechten“ in die Hände spielt. Viele Zuständige, auch in den Kommunen können sich einfach nicht vorstellen, dass es möglich ist, dass in Europa derartige Veränderungen geplant werden, mit Wissen und Akzeptanz der Regierung.

Fakt ist, es wird mit TiSA eine harte Liberalisierung geben. Jedes Land soll als Verhandlungsgrundlage die maximale Liberalisierung einbringen. Der Regulierungsrat sei in TiSA zwar anders benannt, habe aber die gleiche Aufgabe –  „Was kostet ein Gesetz für die Industrie“ – Qualifikationen sollen möglichst niedrige Standards haben – auch fehlende Sprachkenntnis darf kein Hindernis sein

Hybridansatz in TiSA meint

  • Negativansatz bei Inländerbehandlung
  • Positivansatz bei Marktzugang

Bürgerversicherung ist nicht mehr möglich – Handelshemmnis

Allein die Tatsache, dass wir für unser Wasser bezahlen, verpflichtet zur Privatisierung

Auch Unternehmen die zu mehr als 50% in staatlicher Hand sind müssen mit ausländischen Anbietern gleichbehandelt werden

  • Subventionierungen werden untersagt
  • Keinerlei Vergünstigungen für Einkommensschwache
  • Keine Quersubventionierung

Ausgenommen sind nur hoheitliche -Dienstleistungen alle anderen Dienstleistungen sind von TiSA betroffen. Jede öffentliche Ausschreibung verpflichtet. Schon jetzt bieten sich Anwaltskanzleien an, Möglichkeiten einzuklagen zum Beispiel bei der  Wasserversorgung. Überall wo Tochtergesellschaften nur teilstaatlich sind, auch private Beratung durch Unternehmen, oder Teilbereichabgabe an Unternehmen. Momentan wird verhandelt über Rettungsdienste. In manchen Städten hat Bertelsmann die Verwaltung kommunaler Einrichtungen übernommen -Smart City- keine Rekommunalisierung mehr möglich.

Eine Lösung wären:

Kommunale Verbände die öffentliche Dienstleistungen übernehmen. Diese sollten aber nicht zu groß werden.  – möglichst in Drittelparität:  Anbieter – Staat – Verbraucher

Artikel 28 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz – Kommunen können ihre Angelegenheiten selbst erledigen – darauf könnte man sich berufen

Auf Wahlveranstaltungen gehen – Parteien bewegen sich nur im Wahlkampf

Aktion – Freihandel zerstört die kommunale Daseinsvorsorge – vor den Rathäusern

Mehr Demokratie will sich um die Termine der Sitzungen u. Abstimmungen der Länderparlamente kümmern u. Termine veröffentlichen.

Dezentraler Aktionstag: Voraussichtlich am  1. Juli. 2017

Demo zum G20 Gipfel in Hamburg am   8. Juli

Eventuell noch ein Aktionstag kurz vor der Wahl